Stress nach der Rückkehr aus dem Home-Office! Was tun?

Kürzlich hörte ich von einer Führungsperson, die Rückkehr des Teams aus dem Home-Office werde dem Unternehmen frischen Schub verleihen. Die Realität zeigt ein anderes Bild: Distanz statt Wiedersehensfreude, Irritation statt Inspiration, rasche Erschöpfung statt Aufwind. Was enttäuschend klingt, ist vermutlich normal: Menschen haben sich im Home-Office verändert, und damit auch das System. Es führt kein Weg daran vorbei, Teamkultur mit Sorgfalt neu aufzubauen. Wie macht man das?

Aus Erfahrung der letzten Monate empfehle ich Ihnen als Führungsperson, in drei Schritten zu planen:

1. Zeit lassen und Toleranz zeigen

Lassen Sie mehr Sensibilität zu

Besuche in Organiationen und Unternehmen zeigen ein einheitliches Bild: Menschen sind durch die Erlebnisse der vergangenen rund eineinhalb Jahre feinfühliger, verletzlicher und nachdenklicher geworden. Manche von ihnen hatten mit Ängsten, Beziehungskrisen oder gesundheitlichen Problemen zu kämpfen, die nicht alle überwunden sind. Viele beschäftigen sich mit unsicheren Zukunftsszenarien und geraten rasch ins Grübeln. Akzeptieren Sie als Führungsperson, dass Ihre Mitarbeitenden sensibler geworden sind. Wenn Sie Emotionen Raum und Zeit geben, können sich diese als einzigartige Ressourcen zeigen.

Lassen Sie mehr Distanz zu

Überfordern Sie Ihre Mitarbeitenden jetzt nicht mit Festen und Teamanlässen. Wer Lust hat, sich zu treffen, kann dies auch selbstorganisiert tun. Die meisten Menschen haben in den vergangenen Monaten gelernt, Distanz zu wahren, und sich «Abstand» angewöhnt. Manche haben sich verändert, sind ruhiger, zurückhaltender oder introvertierter geworden. Lassen Sie dies zu und gestalten Sie den Übergang vom Home-Office ins Büro behutsam. Ich empfehle Ihnen sogar, Ihren Mitarbeitenden bis auf Weiteres freizustellen, ob sie ins Büro kommen oder zu Hause oder an einem anderen Ort arbeiten möchten.

Zeigen Sie auch als Führungsperson angemessenen Abstand. Seien Sie auf dezente Weise verfügbar, vereinnahmen Sie Ihre Mitarbeitenden aber weder mit Smalltalk noch mit Kontrolle.

Lassen Sie mehr Autonomie zu

Die meisten Mitarbeitenden haben sich in den letzten eineinhalb Jahren erfolgreich selbst organisiert. Dabei haben sie Initiative, Selbstständigkeit und Verantwortungsgefühl gezeigt. Diese wertvollen Ressourcen sollten Sie unbedingt kultivieren, indem Sie ihnen jetzt Autonomie und Selbstorganisation nicht wieder abnehmen. Am besten sprechen Sie mit jedem Teammitglied einzeln darüber, wieviel Führung und wieviel Freiheit es jetzt benötigt. 

2. Klarheit schaffen

Kehren Mitarbeitende nach langen Home-Office-Phasen zurück, müssen einige Themen zwingend angesprochen werden. In der Regel wird es um Rahmenbedingungen gehen, entweder in Form von Vorgaben oder von verhandelbaren Vereinbarungen. Inhaltlich unterscheiden sich die Themen selbstverständlich je nach Branche, Grösse und Teamkultur. In fast jedem Fall empfiehlt es sich allerdings, folgende Punkte offen anzusprechen und Klarheit zu schaffen:

  • Umgang mit Sensibilität sowie Distanz- und Autonomiebedürfnis (siehe oben)
  • Erwartungen und Nicht-Erwartungen von Führung und Mitarbeitenden
  • Proaktives Vorgehen bei drohenden Konflikten
  • Kommunikationswege und -formen
  • Rückbesinnung auf Vision, Mission und Werte der Organisation
Wenn Sie Zeit und Gelegenheit haben, laden Sie Ihr Team an einen schönen Ort ein und gestalten Sie Austausch und Information in einer angenehmen und ästhetischen Atmosphäre. Ersetzen Sie die reine Information wo immer möglich durch interaktiven Dialaog. In diesem Rahmen lässt sich insbesondere auch die Frage des Gesundheitsschutzes klären. In den allermeisten Fällen werden Sie Mitarbeitende haben, die sich Sorgen über eine drohende Covid-Ansteckung machen, und solche, die eher vor einer Impfung Angst haben. Das Thema benötigt sehr viel Empathie, Offenheit und Vertrauen. Bereiten Sie sich sorgfältig darauf vor und klären Sie als Führungsgremium Ihre Haltung.

3. Teamkultur aufbauen

Gehen Sie aus systemischer Sicht davon aus, dass nichts mehr so ist wie vorher. Nicht nur Umwelt, Zukunftsperspektiven und Arbeitsbedingungen haben sich seit Frühjahr 2020 radikal gewandelt. Waren Ihre Mitarbeitenden über längere Zeit im Home-Office, haben auch sie sich verändert und entwickelt. Manches davon ist unmittelbar sichtbar, anderes wird sich vielleicht erst nach Wochen oder Monaten zeigen. Betrachten Sie diese Veränderungen als grossartige Chancen. 

In jedem Fall ist es sinnvoll, einen neuen Teamentwicklungsprozess zu starten. Sie werden eine Art Re-Start benötigen, um sich wieder zu finden. Erstellen Sie dazu einen klaren Plan, ohne in Aktivismus oder Hektik zu verfallen. Für den gelegentlichen Start des Prozesses könnten sich die folgenden Themen eignen:

  • Teamkultur, abgestimmt auf Vision und Werte
  • Rollen und Funktionen
  • Arbeits- und Kooperationsformen
  • Kommunikation und Konflikte
  • Wünsche und Bedürfnisse
  • Persönlichkeiten und Arbeitsstile
  • Reflexion, Feedback und Qualitätsentwicklung
Ob allein oder mit externer Unterstützung: Ich wünsche Ihnen beim Re-Start als Team viel Geduld, Kreativität sowie rasche Erfolgserlebnisse. 

André Kesper ist Kommunikations- und Organisationsberater mit Fokus auf Team- und Führungsprozessen. Er berät und coacht Sie in anspruchsvollen Ausgangslagen. Möchten Sie sich unverbindlich austauschen? Rufen Sie ihn an unter 079 411 81 35.